Historie der Kampagnen "Experten Arbeit stärken" und "Experten Arbeit retten"
Im Rahmen unserer Kampagne „Experten-Arbeit-Stärken“ konnten Sie Ihre Stimme erheben und endlich Rechts- und Planungssicherheit für selbständige Experten fordern. Exakt 119.245 nutzten dafür die Möglichkeit, die zuständigen Abgeordneten des Deutschen Bundestages über den „Experten-Brief“ persönlich anzuschreiben. Dazu kamen noch weitere tausend persönliche Briefe an die Abgeordneten.
Was war geschehen?
Das BMAS hat sich auf Basis des Koalitionsvertrages von 2013 die Bekämpfung des Missbrauchs von Werkverträgen im Niedriglohnsektor auf die Fahnen geschrieben (Koalitionsvertrag CDU/CSU und SPD, 18. Legislaturperiode, Seite 49). Es gibt bestimmte Gruppen von Erwerbstätigen, meist in bestimmten Schwerpunkt-Branchen, welche unter dem Schlagwort „Missbrauch“ zu Recht im Fokus des Gesetzgebers stehen. In der Vergangenheit waren das u. a. die fleischverarbeitende Industrie, bestimmte Gruppen von Franchise-Nehmern oder spezielle Logistik-Dienste. In einzelnen Fällen kann es sich um wirtschaftlich und persönlich Abhängige handeln, welche aus Sicht des Gesetzgebers tendenziell schutzbedürftig sind. Hier bedarf es zu Recht des Schutzes der gesetzlichen Sozialversicherung und des Arbeitsschutzrechts. Wenn diese Gruppe von Erwerbstätigen unter dem Deckmantel der vermeintlichen Selbstständigkeit über Scheinwerkverträge eingesetzt wird, so ist das mit unserem Verständnis einer sozialen Marktwirtschaft unvereinbar.
Im November 2015 drohte das BMAS sich auf der Suche nach der richtigen Ausgestaltung eines Gesetzes zu verlaufen und weit über das vereinbarte Ziel des Koalitionsvertrages hinauszuschießen.
Dazu sind wir mit kreativen Anzeigen im Design der Parteien und Unternehmen öffentlichkeitswirksam gegen die Regulierung von Werk- und Zeitverträgen vorgegangen. Die Kampagnenmotive waren als Großplakate im Berliner Regierungsviertel und als Anzeigen in den Zeitungen am Standort der Unternehmen und Parteien zu sehen.
Die Bundesregierung drohte durch die Fehlausrichtung dieser Arbeitsmarktregulierung Kollateralschäden in Branchen und Marktfeldern, wie z. B. der IT-, Digital- und Kreativwirtschaft aber auch bei Ingenieuren und Honorarärzten auszulösen, die ursprünglich überhaupt nicht angesprochen waren. Im Koalitionsvertrag (Seiten 17–19) wurden sie sogar noch als förderungswürdig bezeichnet. Bisher wartet der Markt immer noch auf die Umsetzung genau dieser Koalitionsvorhaben, nämlich auch darauf, dass die gezielte Förderung von Existenzgründern vorangetrieben wird. Denn oft sind diese die erfolgreichen Arbeitgeber von morgen und schaffen hochbezahlte Jobs. Dies scheint in dieser Legislatur aller Voraussicht nicht mehr zu passieren.
Die Protestwelle war gewaltig. Und hat Wirkung gezeigt.
Noch während unserer bundesweiten Kampagne „Experten-Arbeit-retten.de“ legte das SPD-geführte Arbeitsministerium einen weiteren überarbeiteten Entwurf des Gesetzes zur Regulierung der Zeit- und Werkverträge vor (vgl. § 611a BGB im BMAS Referentenentwurf vom 14.04.2016). Darin wird eine zentrale Forderung im Grundsatz erfüllt: Der Katalog mit praxisfremden und undurchführbaren Negativkriterien ist Geschichte (vgl. § 611a BGB im BMAS Referentenentwurf vom 16.11.2015). Selbständige Experten dürfen auch in Zukunft in deutschen Unternehmen arbeiten!
Erstmals hatten sich selbständige Experten aus allen Bereichen – unter Führung einer Allianz der wichtigsten Personaldienstleister (ADESW) – zum Protest vereint. Mit Pledge Cards und persönlichen Botschaften an die Abgeordneten setzen wir uns dafür ein, die Rolle der Selbständigen endlich rechtssicher zu gestalten. Leider wurde der Gesetzesentwurf in den betreffenden Passagen nicht mehr geändert. Doch in der Beschlussfassung des Ausschusses für Arbeit und Soziales wurde erstmals auf die wichtige Funktion der selbständigen Experten hingewiesen - ein großer Erfolg. Damit haben wir der Politik eindrucksvoll gezeigt: Ihr könnt nicht einfach über die Köpfe der Experten hinweg entscheiden.
„Die ADESW und die mit uns kooperierenden Verbände haben ein Jahr lang harte Überzeugungsarbeit geleistet und über den unglaublichen Erfolg der Kampagne Experten-Arbeit-retten.de ein wichtiges Etappenziel erreicht!“, sagt Carlos Frischmuth, Sprecher der Allianz.
Die Kampagne wurde trotzdem weitergeführt, denn zum damaligen Zeitpunkt waren wichtige Details noch völlig offen. Unser Vorstandsvorsitzende Carlos Frischmuth sagte zum damaligen Entwurf des BMAS: „Wir sind zurück am Nullpunkt, denn auch dieser nun deutlich verbesserte Entwurf zum § 611a BGB reicht nicht aus: Wir benötigen Rechtssicherheit für die Gruppe der hochqualifizierten Selbständigen und für die Unternehmer, die sie beauftragen!“
Die Politik will durch das neue Gesetz diejenigen schützen, die selbständig sind – aber es nicht sein wollen. Aber sie hätte damit auch fälschlicherweise diejenigen, die aus Überzeugung selbständig sind und es auch bleiben wollen ihrer Existenz beraubt. Deshalb haben wir von Anfang an, ein differenzierendes Gesetz gefordert!
Deshalb forderten und fordern wir von der Politik:
• Klares politisches Bekenntnis zur Förderung und rechtssicheren Tätigkeit selbständiger Experten als maßgeblichen Innovationstreibern der deutschen Wirtschaft.
• Stärkung der Rechtsstaatlichkeit durch transparente, schnelle und nachvollziehbare Prozesse und Verfahren bei den zuständigen Behörden (z.B. Deutsche Rentenversicherung), sowie effektive Rechtsbehelfs- und Schlichtungsmechanismen.
• Auftraggeber und Auftragnehmer brauchen Rechtssicherheit: Haftungsrisiken und Strafbarkeit müssen angesichts unklarer gesetzlicher Regelungen eingegrenzt werden, zum Beispiel durch Beibehalten der Arbeitnehmer-Überlassungsgenehmigung.
• Einen Positivkriterienkatalog, der auch juristischen Laien bereits bei Vertragsschluss die Einordnung und Unterscheidung zwischen Festanstellung und Selbstständigkeit ermöglicht. Wer gut und fair bezahlt wird und für sein Alter vorsorgt, ist nicht schutzbedürftig!
• „Deutschland braucht für die Herausforderungen der Zukunft dringend eine Art ‚Straßenverkehrsordnung’ im Dienst- und Werkvertragsrecht“, sagt Carlos Frischmuth. „Ansonsten riskieren wir die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und werden im globalen Digitalisierungswettlauf noch weiter abgehängt.”
Zu diesem Zeitpunkt war noch nichts in trockenen Tüchern. Der damalige Entwurf war lediglich ein zurück zum Ausgangspunkt und noch keine rechtssichere und zukunftsfähige Basis für eine moderne, arbeitsteilige Volkswirtschaft.
Zudem kündigte der DGB zu der Zeit in mehreren Medien Widerstand an. Die selbständigen Experten haben weiter gekämpft für ihre unternehmerische Freiheit. Und es hat sich gelohnt.
Der Gesetzgeber stellt klar: Keine Regulierung der selbständigen Experten:
Die neuen Arbeitsmarktgesetze sollen explizit keinen Schaden in der Projektwirtschaft auslösen. Darauf haben sich CDU und SPD geeinigt. Freiwillig selbständige, hochqualifizierte Experten – vor allem im Bereich der IT – sind nach monatelangen Diskussionen explizit nicht Ziel einer Regulierung. Dies erklärte die Koalition in einer aktuellen Bundestags-Drucksache zur Gesetzesnovelle. Damit bekennt sich der Gesetzgeber erstmals schriftlich zum Beratungs- und Projektgeschäft.
Ein großer Erfolg für hunderttausende Betroffene – IT-Experten, hochqualifizierte Unternehmensberater oder Interims-Manager. Und viele Unternehmen, ob Auftraggeber oder Auftragnehmer, die aufgrund der zuletzt diskutierten Regulierung stark verunsichert waren, erhalten die Gewissheit, dass der Einsatz von hochqualifizierten externen Spezialisten nicht eingeschränkt werden soll. Wo kein Missbrauch entsteht, braucht es kein Eingreifen des Staates. Der nächste Schritt muss sein, Rechtsicherheit für den Einsatz von externen Spezialisten im Digitalzeitalter sowie im Projektgeschäft sicher zu stellen.
In der dazu veröffentlichten Stellungnahme des Ausschusses für Arbeit und Soziales (Bundestags-Drucksache Nr. 18/10064) heißt es: Die derzeitige Rechtslage solle nicht geändert werden, “etwa bei der Beauftragung von Beratungsunternehmen.” Und weiter: “Das Gesetz ziele nicht darauf ab, die unternehmerische Tätigkeit beispielsweise von Beratungsunternehmen einzuschränken. Die Neuregelung solle dem sachgerechten Einsatz von Werk- und Dienstverträgen in den zeitgemäßen Formen des kreativen oder komplexen Projektgeschäfts nicht entgegenstehen, wie sie zum Beispiel in der Unternehmensberatungs- oder IT-Branche in Optimierungs-, Entwicklungs- und IT-Einführungsprojekten anzutreffen seien.”
Mit unserer Kampagne “Experten-Arbeit-retten.de” haben wir als ADESW und unsere Unterstützer/ Partner bundesweit für die hochqualifizierten, freiwillig Selbstständigen gekämpft. Nun können wir mit Fug und Recht sagen: Man hat uns zugehört und verstanden. Die Politik bekennt sich zum Digitalzeitalter und dem Projektgeschäft. Das ist eine wichtige Botschaft an die deutsche Wirtschaft und alle Unternehmen, die auf freie Experten nicht verzichten können und wollen.”
Dies veranlasste uns dazu Danke zu sagen. Danke zu sagen dafür, dass die Abgeordneten der Regierungskoalition aus SPD und CDU/CSU uns zugehört haben und sich klar zu den Hundertausenden freiwillig Selbständigen in Deutschland bekannt haben, die nicht Ziel dieser Gesetzesreform sind. Dies stärkt die Deutsche Wirtschaft und gibt den freiwillig Selbständigen wieder mehr Sicherheit. Die Politik unterscheidet zwischen prekären Arbeitsbereichen und hochqualifizierten, freiwillig Selbständigen.
Die Regierung aus SPD und CDU/CSU hat sich damit zum Digitalzeitalter und dem Projektgeschäft bekannt. Der nächste Schritt muss sein, endgültige Rechtssicherheit für die freien Experten herzustellen. Zum Beispiel muss das Statusfeststellungsverfahren der DRV dringend modernisiert werden. Dafür werden wir gemeinsam mit euch kämpfen.
Das Gesetz ist am 1. April 2017 in Kraft getreten.